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Kandidaten in der Türkei stellen sich auf Stichwahl ein
Bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei scheinen sich die beiden Hauptkonkurrenten auf eine Stichwahl in zwei Wochen einzustellen. Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu sagte nach der Auszählung fast aller Stimmen am frühen Montag, im Falle einer Stichwahl "werden wir die zweite Runde unbedingt gewinnen". Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan verwies vor Anhängern in Ankara auf seine "klare Führung", zeigte sich aber ebenfalls bereit für eine Stichwahl.
Das türkische Staatsoberhaupt reklamierte zudem eine klare Mehrheit für seine islamisch-konservativen AKP und ihre Bündnispartner bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl.
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete in der Nacht mit Verweis auf über 96 Prozent ausgezählte Stimmen einen Anteil von knapp unter 50 Prozent für Präsident Erdogan - für den Staatspräsidenten lag der Anteil demnach bei 49,4 Prozent, für Kilicdaroglu bei 44,9 Prozent. Zu Beginn des Abends hatte Erdogan der Agentur zufolge nach der Auszählung von rund 25 Prozent der Stimmen noch bei 54,3 Prozent gelegen. Offensichtlich waren anfangs aber vor allem Stimmen aus Hochburgen des islamisch-konservativen Präsidenten ausgezählt worden.
Neuer Präsident wird, wer im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommt. Schafft dies keiner der Kandidaten, treten die zwei Erstplatzierten in zwei Wochen in einer Stichwahl gegeneinander an. Es wäre die erste Stichwahl in der Geschichte der Türkei.
Der dritte Kandidat um die Präsidentschaft, Sinan Ogan, kam Anadolu wie dem oppositionsnahen Nachrichtenportal Anka zufolge auf etwa fünf Prozent der Stimmen. "Im Falle einer Stichwahl werden wir schwierige 14 Tage vor uns haben", sagte Ogan am Wahlabend ohne einen Hinweis darauf, welchen Kandidaten er am 28. Mai unterstützen würde.
Erdogan sagte bei einer Rede in der Nacht zu Montag auf dem Balkon der Parteizentrale der AKP: "Wir wissen noch nicht, ob die Wahl in der ersten Runde zu Ende sein wird, aber wenn die Menschen uns in eine zweite Runde schicken, werden wir das auch respektieren."
Erdogan behauptete, er habe eine "klare Führung" gegenüber seinem Herausforderer Kilicdaroglu. "Wir respektieren die Wahl und wir werden die nächste Wahl respektieren", sagte er. "Ich glaube mit ganzem Herzen daran, dass wir unserem Volk in den kommenden fünf Jahren weiter dienen werden."
Auch Kilicdaroglu, zeigte sich am Montag siegesgewiss. Der Wille der Gesellschaft zur Veränderung liege "höher als 50 Prozent", zeigte er sich zuversichtlich.
Kilicdaroglus Lager hatte zunächst an der Stimmauszählung gezweifelt und wähnte seinen Kandidaten in der Führung.
Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul und Parteifreund Kilicdaroglus, warf dem Regierungslager vor, die Zahlen zu manipulieren. Ihm zufolge begannen Regierungsvertreter, Ergebnisse in Hochburgen für die Parteien des Oppositionsbündnisses von Kilicdaroglu anzufechten. Dies geschehe auch dort, wo seine Partei "deutlich" vorne liege, sagte Imamoglu vor Journalisten. Zahlen des oppositionsnahen Nachrichtenportals Anka zufolge lagen Erdogan und Kilicdaroglu nach Teilauszählungen fast gleichauf - und beide unterhalb von 50 Prozent.
Die meisten Umfragen hatten einen knappen Vorsprung Kilicdaroglus bei der Präsidentenwahl vorhergesagt, manchen von ihnen zufolge konnte er sich sogar Hoffnung auf einen Sieg in der ersten Runde machen.
Beobachtern zufolge war die Wahlbeteiligung bemerkenswert hoch, die offizielle Zahl wurde jedoch noch nicht veröffentlicht. Bei der letzten landesweiten Wahl 2018 hatte der 69-jährige Erdogan mit 52,5 Prozent der Stimmen in der ersten Runde gewonnen, die Wahlbeteiligung lag bei über 86 Prozent.
Erdogan regiert das Land mit seinen 85 Millionen Einwohnern seit zwei Jahrzehnten; seit 2003 zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Kritiker werfen ihm seit Jahren eine Aushöhlung der Demokratie und einen autoritären Regierungsstil mit der Unterdrückung von Regierungsgegnern vor. Die Opposition hat eine Rückkehr zur Demokratie versprochen, die Respektierung von Meinungsfreiheit und die Wiederherstellung einer unabhängigen Justiz.
Trotz einiger Unregelmäßigkeiten verlief der Wahlabend überwiegend ohne schwerwiegende Vorkommnisse. Wahlbeobachter aus Deutschland wurden nach Angaben von Janine Wissler, Chefin der deutschen Linkspartei, aber teils an ihrem Einsatz in der Türkei gehindert. Beobachter einer Delegation der Linken seien durch bewaffnete Polizisten am Betreten der Wahlbüros gehindert worden, sagte Wissler der Nachrichtenagentur AFP. Hakan Tas, Wahlbeobachter im Auftrag der Linken, sprach von verweigertem Zutritt auch für türkische unabhängige Wahlbeobachter.
A.Taylor--AT